Krankenkassensystem versus Gesundheitsvorsorge

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Das schöne an der deutschen Sprache ist, daß solange keine „Political Correctness“ eingreift, sie die Dinge im wörtlichen Sinne beim Namen nennt. Wenn man sich den Begriff Kranken-Kassen-System bewußt anschaut, braucht man keine 752seitigen Gutachten zu lesen, um zu verstehen, warum so ein krankes System nicht reparierbar ist. Die Deutsche Mitte ist eine Bewegung, die Menschen anzieht, die bereit sind Dinge zu Ende zu denken und auch Fragestellungen anzugehen, vor denen andere Parteien zurückschrecken.

Als die Bergleute aus Schwaz in Tirol durch ihre gefährliche Arbeit in den Silberbergwerken auf die Idee kamen sich zusammenzuschließen, um in eine gemeinsame Kasse einzuzahlen, um denjenigen, die zu Schaden kamen ärztliche Hilfe und den betroffenen Angehörigen Hilfeleistungen zum Überleben zukommen zu lassen, haben sie im 11. Jahrhundert die Idee der Solidargemeinschaften ins Leben gerufen.

Im 12. Jahrhundert wurde in der Stadt Mühlhausen in Thüringen das erste Krankenhaus in städtischer Trägerschaft gegründet. Ganz so rückständig können die Menschen im Mittelalter im deutschsprachigen Raum also nicht gelebt haben. Die modernen Formen unserer Rückversicherungen für Arbeitnehmer stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind auf das Betreiben von Otto von Bismarck zurückzuführen. Das deutsche Reich führte 1883 die verpflichtende Krankenversicherung für die Arbeitnehmer ein, die zu einem Drittel vom Arbeitgeber getragen wurde, während die Arbeitnehmer zwei Drittel bezahlen mußten. Die ein Jahr später eingeführte Unfallversicherung hatten die Arbeitgeber allein zu tragen.Auszug aus dem Reichsgesetzblatt Nr. 9

Am 24. Mai 1889 verabschiedete der Reichstag des Deutschen Reiches eine Alters- und Invaliditätsversicherung. Am 1. Januar 1891 wurde die gesetzliche Rentenversicherung als letzter Baustein der Sozialreform eingeführt, die Arbeitnehmer und Unternehmer zu gleichen Teilen zu tragen hatten. Da die Steuerlast im Deutschen Reich zu dieser Zeit bei für uns heute unvorstellbaren 0,4% lag und sowieso erst ab einem Einkommen von 10.000 Reichsmark wirksam wurde, war die Belastung für die Arbeiter erträglich. Vielleicht ist dies auch einer der Gründe gewesen, warum das Deutsche Reich in den ersten Weltkrieg hineingezogen wurde.

Versicherungsträger waren öffentlich-rechtliche Körperschaften, die nach dem Prinzip der Selbstverwaltung existierten. Sie bestanden aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber, die ehrenamtlich verwaltet wurden und unter staatlicher Aufsicht standen. Nach dieser Idee ist die heutige BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) im Jahre 2002 entwickelt worden, nachdem erkennbar wurde, daß die Deregulierung gerade des Finanzsektors gefährlich werden könnte. Wie Recht die besorgten Parlamentarier haben sollten, hat sich ja 2007/8 bei der globalen Finanzkrise gezeigt. Allerdings auch wie hilflos dieses Instrument tatsächlich ist.

Genauso hilflos ist diese Institution auch in der Regulierung der Störungen im Bereich der Krankenkassen. Seit Jahrzehnten explodieren die Kosten, während die Leistungen der Kassen immer geringer werden. Krankenhauskonzerne in privater Hand verdrängen die letzten Kliniken in städtischer Trägerschaft. Pharmakonzerne arbeiten mit Profitmargen von 1000% mit wissenschaftlich belegten, wirkungslosen Medikamenten. Die Krankenkassen, die weitestgehend auch nur noch private Organisationen sind, können nur noch mit Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen reagieren.

Unser Gesundheitssystem war in Deutschland einmal sehr breit aufgestellt. Neben der sogenannten „medizinischen Schulwissenschaft“, die weltweit zu den Führenden zählte, gab es ein breites Feld von Heilpraktikern, die mit alternativen Heiltechniken, das zum Teil auf Jahrtausende altes, überliefertes Wissen beruht, einen Großteil der chronischen Beschwerden erfolgreich beheben. Auch die Anwendung von Heilkünsten aus anderen Kulturen wie das indische Ayurveda oder die traditionelle chinesische Medizin haben in Deutschland viele Anhänger gefunden. Als durch die Gründung der EWG durch die Engländer auch deren „Komplementärmedizin“ hier hätte offiziell Anerkennung finden müssen, hätten auch unsere Geistheiler ihren Platz in diesem System finden müssen. Dies ist, obwohl es durch das vereinbarte EU-Recht juristisch eindeutig definiert ist, niemals akzeptiert worden.

Genauso widerrechtlich werden in Deutschland die europäischen Krankenkassen nicht anerkannt. Während zwei scheinbar unabhängig voneinander beschlossene EU-Richtlinien in den 80ger Jahren mit der „Harmonisierung der Naturheilmittel“ diese über künstlich geschaffene ökonomische Zwänge vom Markt verdrängt haben. Für jeden Wirkstoff mußte ein wissenschaftlicher Nachweiß erbracht werden, was zwischen 25.000 DM und 75.000 DM pro Molekül bedeutet hätte. Für so ein Monopräparat wie Aspirin mit einem einzigen Wirkstoff zahlt das Bayer aus der Portokasse. Eine Salbe aus mehreren pflanzlichen Auszügen bringt es locker auf 700 bis 2.000 Wirkstoffe, die eine harmonische Kooperation sicherstellen. Das konnten die zumeist kleinen Familienbetriebe nicht aufbringen.

Wir hatten damals verlangt, Kaffee und Tee unter das Apothekengesetz zu zwingen, da die enthaltenden, alkaloiden Wirkstoffe Coffein und Teein immerhin aufputschend wirken. Beide enthalten ungefähr 600-700 andere Wirkstoffe. Unsere Hoffnung war, durch diesen Unsinn, der Kaffee und Tee unerschwinglich gemacht hätte, auf diesen miesen Schachzug aufmerksam zu machen. Mit einer sehr ähnlichen Methode wird heute der Beruf der freien Hebamme aus dem „Markt“ gedrängt. Man verbietet den Hebammen nicht ihren geliebten Beruf auszuüben. Man erhöht ihnen nur die Berufsversicherungsprämien so dermaßen, daß sie sie nicht mehr zahlen können. Damit stirbt ein weiterer Heilberuf in Deutschland aus.

Aber es gibt sie noch, die selbstverwalteten Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen, die nicht der Verpflichtung eines ausschließenden Leistungskatalogs aufgrund der Bestimmungen der BaFin führen müssen. Aus alter Zeit sind noch die Solidargemeinschaften der Polisten in Münster und die Rheinland-Pfälzischen Pfarrer übrig geblieben, während die Samariter oder die ARTABANA Solidargemeinschaften aus jüngerer Zeit sind. Die Gesetzesänderung im Jahre 2007, die jeden verpflichtete einer Krankenversicherung beizutreten, macht diese Modelle einer „anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall“, wie es im Sozialgesetzbuch 5 definiert ist, jedoch schwer zu überleben.

Dies sind jedoch die einzigen Gemeinschaften, die den Heilpraktikern und anderen Therapeuten in unserem Gesundheitswesen ein Überleben ermöglichen und damit dieses wertvolle Wissen lebendig erhalten. Die Deutsche Mitte unterstützt ausdrücklich solche Modelle.

Wie unsolidarisch unser Krankenkassensystem ist, zeigt sich schon in den Grundbedingungen. Erst ab einem Gehalt von knapp 5.000 € monatlich darf ich mich privat versichern. Alle anderen dürfen in der GKV, der gesetzlichen Krankenversicherung, in der Regel bis zu einem halben Jahr auf einen Facharzttermin warten. Ein privat Versicherter kann das mit einem Anruf dagegen sehr zeitnah regeln. Dafür muß er wiederum damit rechnen im Krankenhaus einer ganzen Reihe unnötiger Untersuchungen unterzogen zu werden, damit sich die teuren Investitionen im Wettbewerb mit anderen Kliniken rechnen.

Zur Zeit kämpfen alle möglichen Dienstleister im Gesundheitswesen mit ständig neuen Vorgaben und Verweigerungen der Krankenkassen. Immer neue gesetzliche, unscharf formulierte Vorgaben, wie die Neuordnung des Pflegeversicherungsgesetzes, erzeugen auf allen Seiten einen Verwaltungsaufwand, hinter dem die eigentlichen Aufgaben oft gar nicht mehr durchführbar werden.

Wie einfach das geregelt werden kann, soll hier mal an Hand der Praxis bei der Solidargemeinschaft ARTABANA dargestellt werden. Diese wurde 1997 in der Schweiz von Menschen, die den Ideen Rudolf Steiners sehr nahe standen, gegründet und fand schon 1999 in Deutschland so viele Anhänger, so daß auch hier ein Dachverband gegründet wurde, der in der Anfangszeit von den Schweizern solidarisch unterstützt wurde.

Bei der ARTABANA schließen sich Menschen in einer kleinen Gruppe zusammen, die sich gegenseitig Unterstützung im Krankheitsfalle versprechen. Dazu zahlen sie in eine gemeinsame Kasse ein. Hier wirkt die GLS-Bank als Unterstützer dieser Idee. Die einzige Kontrolle, die es bei der ARTABANA gibt, ist das gegenseitige regelmäßige Wahrnehmen untereinander. Diese Gruppen bilden zusammen regionale Einheiten, die sich auch gegenseitig wahrnehmen, und in größeren Schadensfällen finanziell mithelfen. Darüber steht noch der Verein ARTABANA Deutschland e.V., der die notwendige juristische Körperschaft darstellt und mit der Verwaltung eines „Feuerwehrtopfes“ für die sofortige Bereitstellung von Geldern bei Großschadensfällen sorgt.

Die Vergabe von Geldern wird auf regionaler und Bundesebene von gewählten Treuhändern verwaltet, die aber nicht aufgrund eines abstrakten Leistungskatalogs entscheiden, den irgendein Gremium von Buchhaltern entworfen hat. Bei solchen Solidargemeinschaften wird die Heilmittelwahl nicht eingeschränkt. Der Betroffene verhandelt mit dem Arzt oder Heilpraktiker und seiner lokalen Gruppe, die ihn persönlich kennt und nicht irgendein anonymer Sachbearbeiter aufgrund von Verordnungen, an die er sich zu halten hat.

Neben dieser „finanziellen Grundversorgung im Krankheitsfall“ sorgt die persönliche Anteilnahme für eine völlig andere Situation. So sind innerhalb der ARTABANA noch jede Menge andere soziale Ideen entstanden, wie ARTACARE oder ARTAGRUND, die auch alle selbst verwaltet sind. So entsteht ganz von selbst ein ganz anderes Bewußtsein des einzelnen im Umgang mit seiner Gesundheit und der Verantwortung für das Ganze.

Ein Mißbrauch, wie er im gesetzlichen Krankenkassensystem von allen Seiten systemimmanent ist, eben sowohl von Patienten, wie Ärzten, Apotheken oder auch den Pharmakonzernen, wie auch der Medizintechnikindustrie, ist bei den Solidargemeinschaften gar nicht möglich. Um dem entgegen zu wirken, hat sich wiederum der Verwaltungsaufwand durch immer aufwendigere Kontrollsysteme immer mehr vergrößert. Und immer mehr Menschen fallen in ihren Notlagen durch diesen Rost. Ein tödlicher Wettlauf bei dem immer die schwächsten auf der Strecke bleiben.

Die Idee einer Bürgerversicherung wird dieses Problem der zwei Klassen Medizin nicht lösen. Auch die galoppierende Kostenexplosion wird dadurch nicht beendet werden können. Wir dürfen bei den Problemen unseres Gesundheitssystems nicht nur die Kosten im Auge behalten. Wenn durch die Kurzsichtigkeit der Buchhalter wesentliche Ideen und Techniken der Medizin ausgeschlossen werden, ist das weit mehr als Körperverletzung. Es ist ein Verbrechen an der gesamten Menschheit!

Ärzte und speziell die Zahnärzte verzweifeln, daß sie das, was sie erkennen können, was für einen Patienten tatsächlich gesundheitsförderlich wäre, nicht anwenden dürfen, weil es von den Kassen nicht bezahlt wird. Die Zahnärzte wollten sich schon geschlossen aus dem Kassensystem verabschieden!

So wie die Deutsche Mitte die Macht des Bankenkartells brechen will, sind auch im Gesundheitswesen mehr als nur schönheitstechnische Reförmchen notwendig. Zentralistische Systeme sind in ihrer Endphase immer faschistisch. Wie in der gesamten Politik gehört die Hauptverantwortung wieder nach unten. An der Stelle, an der die Entscheidungen fällig werden gehört auch die Hauptverantwortung hin. Das ist das Subsidiaritätsprinzip. Das ermöglicht ohne großen Verwaltungsaufwand schnelle Entscheidungen auf kurzen Wegen, die dadurch auch viel weniger Kontrollmechanismen oben drüber benötigen.

Auch die inquisitorische Haltung der „medizynischen Wissenschaft“ gilt es aufzubrechen. „Wer heilt hat Recht“, sollte der Grundsatz sein, auch wenn eine verbohrte Wissenschaft die Gesetzmäßigkeiten, die dahinter stehen, bewußt nicht wahrnehmen will. Gerade die Geschichte der medizinischen Wissenschaft ist voll von Beispielen überheblicher Intoleranz gegenüber neuen Erkenntnissen einzelner Pioniere.

Die Deutsche Mitte wird sich für die Befreiung der Wissenschaft von den wirtschaftlichen und ideologischen Fesseln einsetzen. Unsere Universitäten sollen auch wieder Bildungsstätten werden, in der man sich universell bilden kann und nicht für den eingeschränkten Bedarf in der Industrie gedrillt wird, bei Abgabe von Gewissen und gesundem Menschenverstand.