Gespräch über Grundsicherung in Katar

Westbay Doha, Katar

Gespräch über die Grundsicherung oder Katar von Sabine Lawen

Sie: Weißt du, in der Deutschen Mitte setzen wir uns für ein solidarisches Grundeinkommen ein. Du bist doch ein so genannter Expat1 in Katar2, d.h. du arbeitest und wohnst dort über einen längeren Zeitraum, schon seit vielen Jahren, in deiner Eigenschaft als Umweltgutachter und Verfahrenstechniker. Hast du mir nicht mal erzählt, dass es dort so etwas Ähnliches wie ein Grundeinkommen für die Einheimischen gibt? Wie läuft das genau?

Er: Naja, das wird natürlich nicht an die große Glocke gehängt. Du weißt ja, wie unterschiedlich es den Menschen in den verschiedenen arabischen Ländern geht. Sie haben wirklich alle Extreme: auf der einen Seite die von Krieg überzogenen und zum Teil verwüsteten Länder wie den Jemen oder Syrien, auf der anderen Seite Katar als vermutlich reichstes Land der ganzen Welt, zwischen diesen Polen die ganze Bandbreite von unterschiedlichen Freiheitsgraden und Wohlstand und Frieden. Dazu noch die Rivalitäten zwischen alten Ansprüchen (Wer ist der Führer der sunnitischen Welt?) und modernen Herausforderungen (wie der „Arabellion“) – tausend gute Gründe, um sich bedeckt zu halten. Seit letztem Jahr wird die Halbinsel Katar durch Konflikte in all diesen Bereichen von seinen Nachbarn isoliert – nicht nur politisch, sondern territorial wirklich abgeschnitten. Eine zugespitzte Situation, in der Gespräche mit Einheimischen noch vorsichtiger und unbestimmter sind als früher.

Sie: Hm. Ich habe dich einmal besucht. Vor allen Dingen sind mir die Abwesenheit von Armen und Bettlern, die Sauberkeit und dass ca. 85% der Menschen dort Ausländer sind, ins Auge gefallen.3

Er: Nun ja, also, nach dem, was ich höre, holt Deutschland bei den Ausländern im Land gerade auf …..

Sie: Ja, aber in Katar sind es eben keine Flüchtlinge oder selbst eintretende Einwanderer …..

Er: Das stimmt. Die Ausländer haben alle Arbeit – außer den Touristen natürlich. Du kommst ja nur ins Land, wenn du entweder ein Stipendium für ein Studium oder bereits eine Anstellung hast. Mit offenen Grenzen hat das hier gar nichts zu tun. Aber zurück zu deiner ersten Frage: Ja, Katar ist durch die Rohstoffe, die ihm die Natur geschenkt hat, wirklich sehr reich. Dieser Reichtum macht sich auf vielen verschiedenen Ebenen bemerkbar. Durch die üppigen finanziellen Mittel war z.B. der Aufbau einer Bildungs- und Museumslandschaft möglich, die die Katarische Wirtschaft unabhängiger von den Rohstoffen machen soll und in seiner Größe einen globalen Anspruch ausdrückt. Auch die Gründung des ersten unabhängigen Nachrichtendienstes und Fernsehsenders Al-Dschasira4 im arabischen Sprachraum (aber auch auf Englisch für das Ausland sendend) wäre ohne massive finanzielle Mittel von Seiten des Staates natürlich nicht denkbar gewesen. Aber der Wohlstand kommt auch den einzelnen Menschen dort zugute. Energie, Wasser und ein Gesundheitssystem auf Erste-Welt-Niveau sind kostenlos.

Sie: Ich vermute sehr stark, dass es auch Direktzahlungen an die Kataris gibt, denn sie üben wirklich nur sehr spezielle Berufe aus – auch das fällt einem gleich auf: ausschließlich Tätigkeiten in Führungspositionen in Politik, Militär und als Wirtschaftskapitäne, dann noch im kreativen und musealen Bereich. In einfachen Berufen wie dem von Verkäufern, Taxifahrern, Touristenführern, ganz zu schweigen von körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie auf dem Bau, habe ich dort nie, wirklich nie einen Einheimischen gesehen. Diese unterscheiden sich ja durch ihre Tracht sehr stark von allen Ausländern (weißes langes Gewand und extra Kopfbedeckung für die Männer und schwarzer Überwurf mit Kapuze für die Frauen). Alle Nicht-Kataris, auch alle anderen Muslime, sind dagegen westlich gekleidet, d.h. sichtbar westlich. Ein Bild, dass ich nicht vergessen kann, war, wie eine junge elegante Katari auf Highheels, bedeckt von einer Abaya, durch eine halboffene Garage ging, deren Überwurf im Gegenlicht so zart gewebt aussah, dass ich die Hotpants und das T-Shirt, die sie darunter trug, deutlich erkennen konnte. Eine Ausnahme bei den Berufen sind übrigens die Grenzbeamten an den Kontrollpunkten der Flughäfen. Eine relativ einfache Tätigkeit, die aber natürlich nur in den Händen der Einheimischen liegen kann, klar.

Er: So ist es. Es ist nicht vorstellbar, dass ein Katari, Mann oder Frau, „unter“ einem Gastarbeiter arbeiten würde, sei er auch akademisch qualifiziert wie die Expats aus dem Westen! Oder sich in einem anstrengenden Beruf müde machen würde! Aber ist das nicht die natürliche Folge, wenn man nur zum Vergnügen einer Tätigkeit nachzugehen braucht? Was glaubst du wohl, wie es in Deutschland laufen würde, wenn ihr ein Grundeinkommen einführt? Wer würde noch die unangenehme oder schwere Arbeit machen? Wohl auch nur Ausländer, die nicht zum Grundeinkommen berechtigt sind, aber zuhause nicht so verdienen können …. Und da bei euch das Geld nicht aus dem Verkauf von Rohstoffen kommen kann: Wie soll das Grundeinkommen erwirtschaftet werden? Sollen die Steuern noch weiter dramatisch steigen?

Sie: Moment. Nein, die Steuern sollen nicht steigen, wir brauchen ja insgesamt ein neues Finanzsystem, das auf andere Weise Vermögen, Unterhalt und Kredite schafft …..

Er: Nun, dann macht euch mal auf die Suche nach Verbündeten. Das soll funktionieren? Und schaut euch bloß zum Grundeinkommen vorher ähnliche Lösungen in anderen Ländern an. Zum Beispiel in Malaysia, da gibt es sowas zum Teil und ich habe gehört, die Malayen könnten mit sich nichts anfangen …. Aber ich gebe dir recht, es gibt ein Problem, das auf uns zukommt: Digitalisierung. Noch mehr: künstliche Intelligenz. Das wird alles verändern.

 

 

1 Abkürzung von englisch „expatriate“ für „nicht einheimisch“.
2 Katar ist ein arabischer Staat auf einer Halbinsel von der Größe Hessens etwa im Persischen Golf an der östlichen Küste der Arabischen Halbinsel.
3 Die Bevölkerung beträgt etwa 2 Millionen Menschen, von denen lediglich ca. 300 000 einheimische Kataris sind.
4 https://www.aljazeera.com/, https://de.wikipedia.org/wiki/Al_Jazeera

http://www.katar-information.de