Chemnitz: Ich habe ein Tabu gebrochen und in meiner Familie gibt es Nazis

Charles Dickens Weihnachtsmärchen

Auch wenn zum Thema Chemnitz in den letzten Wochen vermeintlich alles gesagt und geschrieben wurde gibt es einen Punkt, der für unsere langfristige politische Tätigkeit enorm wichtig ist und über den wir uns als Mitglieder der Deutschen Mitte ganz klar sein müssen. Wir leben inzwischen in einer Meinungsdiktatur, in der jeder, der das vorgegebene Framing verlässt, Gefahr läuft, „ausgeschlossen und bestraft“ zu werden. Auch wenn eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, so zeigte die Causa Hans-Georg Maaßen aktuell sehr deutlich, wo die offizielle rote Linie verläuft.

Es spielt keine Rolle mehr, ob öffentlich gestellte Fragen zu aktuellen Ereignissen ihre Berechtigung haben oder ob Aussagen wahr oder falsch sind. Es geht nur noch um die Deutungshoheit und ob die Meinung zu politischen Ereignissen und Themen ins trans-atlantische Deutungsraster passt. Auf der Strecke bleibt die Diskussion und damit die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Dies ist in meinen Augen die größte Gefahr, die von Chemnitz ausgeht.

Die ersten Fragen, die mir nach den Meldungen über den Tod des Deutsch-Kubaners Daniel H. in den Sinn kamen, lauteten: Schon wieder? Wieder mit Messern? Ist das die Reaktion auf Gewalt gegenüber Migranten in Deutschland? Sind wir schon wieder so weit? Befinden wir uns in einer Art Bürgerkrieg?

Ich stellte deshalb an meine Freunde und Bekannten die folgende Frage:
„Kann mir jemand sagen, wie viele Asylanten/Migranten/Flüchtlinge bereits dem rechtem Terror in Deutschland zum Opfer gefallen sind und seit 2015 erstochen oder ermordet wurden? Wie viele Iraker, Syrer, Afghanen, Iraner und andere Asylbewerber mussten ihre Flucht nach „Nazi-Deutschland“ bereits mit dem Leben bezahlen? Leider finde ich dazu in den Medien kaum Informationen. Kann mir da jemand helfen?“

Tabu - Ich sage nichts

Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten und eines war schnell klar: Ich hatte ein Tabu gebrochen. Das waren die falschen Fragen, darüber darf man nicht diskutieren und zum ersten Mal in meinem Leben stellte mich ein Freund in die Ecke: „Nazi, Du bist ja voll im rechten Fahrwasser drin„. Ich also ein Nazi, weil ich eine Frage gestellt hatte und einfach mal wissen wollte, wie viele Migranten denn nun seit 2015 – der Öffnung der deutschen Grenzen für jedermann – von Deutschen bereits ermordet wurden.

  • Ich, der vor über 30 Jahren zum ersten Mal wählen war und sein Kreuz mit Überzeugung bei den Grünen gemacht hatte.
  • Ich, der sich immer auf die Seite der Schwachen gestellt, immer vermittelt und für Respekt und Verständnis geworben hatte.
  • Ich, der beruflich zwei Jahrzehnte mit Schwulen, Schwarzen, Indern, Türken, Russen, kurz mit Künstlern aus aller Welt gearbeitet hatte.
  • Ich, der viele Jahre selber als Ausländer in fremden Ländern gelebt hatte.

Ich bin also jetzt ein „Nazi und im rechten Fahrwasser“ angekommen.

Die Antwort musste ich mir dann selber suchen und je nach Statistik findet man seit 2009 stark rückläufige Zahlen mit ca. 0-2 Fällen pro Jahr. Man kann also davon ausgehen, dass Migranten in Deutschland sicher leben können.

Interessant und logisch konsequent wäre es jetzt, sich dazu auch mal die umgedrehten Statistiken genauer anzuschauen. Dies dachte sich wohl auch unser Parteifreund Tim Mader, der auf der Facebook-Seite der Deutschen Mitte Berlin am 11.09.18 u.a. folgendes veröffentlichte:
Eine Auswertung des BKA für die “Welt” ergab folgendes: [1]
“Die Zahl der von nichtdeutschen Staatsbürgern getöteten Deutschen ist in den vergangenen Jahren gestiegen: Von 2013, als 67 solcher Opfer registriert wurden, sank diese Zahl zunächst bis 2015 auf 52. Im darauffolgenden Jahr waren es dann 62 und im letzten Jahr sogar 83.

Danach hatte ich gesucht. Diskutieren sollte möglichst auf der Basis von Fakten erfolgen. Hinzu kommen dann in der Konsequenz die Fragen, inwieweit auch Migranten, von der offensichtlich vorhandenen Gewalt eines Teils von Asylsuchenden betroffen sind. Ich denke da an Berichte über antisemitsche Araber, bereits in ihrem Heimatland straffällig gewordene Migranten, verängstigte jesidische Frauen, die in Deutschland ihre IS-Peiniger und Vergewaltiger treffen und über die Probleme, zumindest alle bereits in den ersten Jahren ihres Aufenthaltes in Deutschland straffällig gewordenen Aysylsuchenden – wie in vielen Ländern der Welt üblich – schnellstmöglich auszuweisen und Maßnahmen zu ergreifen, die eine Wiedereinreise wirkungsvoll verhindern.

An dieser Stelle möchte ich abbrechen. Es geht mir hier gar nicht um Schlussfolgerungen, Lehren und Panikmache durch den Vergleich zweier Statistiken. Wichtiger ist mir der Punkt, dass es in Deutschland weiterhin möglich sein muss, über alles offen und sachlich zu diskutieren.

Ich lasse mir das Wort nicht durch vermeintliche Tabus verbieten!

Ich lasse mir nicht vorschreiben, welche Fragen ich zu stellen habe und welche nicht!

Ich lasse mir von niemanden diktieren,
ob, wo und über was und wen ich trauern darf!

Etwas Trost bekam ich dann am letzten Freitag (14.09.18) ausgerechnet von Claus Kleber im Heute-Journal. Im Zusammenhang mit den Berichten aus Chemnitz wurden auch die monatlichen Proteste in Kandel gezeigt und „kritisch beleuchtet“. Das Resümee: Alles nur rechtspopulistische Demonstrationen, auch in Kandel. Ein guter Deutscher hält sich von diesen Demonstrationen fern.

Was bin ich froh, dass sowohl meine Mutter wie auch mein Bruder regelmäßig an diesen Demonstrationen in Kandel teilnehmen und laut und kräftig „Merkel muss weg“ rufen. Zum Glück bin ich also nicht der einzige „Nazi“ in unserer Familie. Meine Mutter ist übrigens 78 Jahre alt und pensionierte Lehrerin, also ein ganz klarer Fall. [Ironie off]

Schwarz und weiß

Ein interessantes Fazit zu Chemnitz und den tieferliegenden Ursachen fand ich vor einigen Tagen dann doch noch bei dem Buchautor und TAZ-Gründer Matthias Bröckers: „Wer keine Neonazis will kann vom Neoliberalismus nicht schweigen. Sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger neo-liberaler Politik….Notwendig ist eine komplette Neuausrichtung der Militär-, Bündnis- und Einwanderungspolitik. Wer weiter nach Gusto Länder bombardiert und entstaatlicht wie das US-Imperium und seine europäische Gehilfen das seit Jahrzehnten tun, produziert immer neue Flüchtlingsströme – und in der Folge immer mehr Nazis, nicht nur in Deutschland. Sie sind die Symptome und nicht die Ursache der Krise. Und so nötig es ist, akute Symptome einzudämmen, so aussichtslos bleibt es, wenn man nicht die Ursachen beseitigt. Solange die Verhältnisse zwischen Oben und Unten unverändert bleiben, prügeln sich Rechts und Links völlig vergeblich.

So sind wir dann auch in Chemnitz endlich wieder bei den Ursachen angekommen. Wenn es darum geht unsere Meinungsfreiheit gegen alle vermeintlichen Tabus zu verteidigen, offen in alle Richtungen zu bleiben und für Problemlösungen immer genau nach der Wurzel des Übels zu schauen, ist die Arbeit der Deutschen Mitte wichtiger denn je.

Ich danke euch, wenn ihr mich nach diesem Artikel nicht irgendwo einordnet und wir zumindest hier – noch – weiter offen diskutieren können. 😉

Links zum Artikel:
Framing: Wikipedia, Definition
Maaßen: DWN-Berichte: Merkel bereitet Rauswurf von Maaßen vor
Todesopfer rechtsextremer Gewalt: Gesamtliste*
[*Anmerkung: Bei den Opfern des Münchner-Amoklaufes vom 22.07.16 ist die Einordnung als „rechtsextreme Gewalt“ umstritten.]
Facebook Deutsche Mitte Berlin mit Statistiken: ALARMIERENDE ZAHLEN aus der Kriminalstatistik
Antisemitsche Araber: Wie verbreitet ist Antisemitismus unter Migranten?
IS-Peiniger und Vergewaltiger: Traf Jesidin auf IS-Peiniger?
Vorbestrafte Asylsuchende: 1100 ausreisepflichtige Mehrfach- und Intensivstraftäter in Sachsen
Heute Journal 14.09.18: Wie sich Kandel verändert hat, rechtspopulistische Demonstrationen
Mathias Broeckers: Was machen wir nur mit den Nazis?