Ist die Dreigliederung des sozialen Organismus von Rudolf Steiner eine Lösung für die Probleme unserer Zeit? (Teil 2)

Dreigliederung
Grafik: © Rudolf Steiner Gesellschaft e.V.

Gesellschaften sind ihrer Natur nach dreigeliedert – dies fand Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, bei seinen Forschungen heraus. Wenn diese drei Bereiche Bildung (Geistesleben), Recht und Wirtschaft nicht weitgehend unabhängig voneinander agieren können, kann die Gesellschaft nicht richtig funktionieren. Bei uns heute ist diese Unabhängigkeit nicht gegeben.

Im ersten Teil dieses Artikels führten wir in das Thema ein. Erste Konsequenzen für die Bereiche Wirtschaft und Bildung wurden skizziert. Hier geht es jetzt um Konsequenzen für das „geistige Eigentum„, für das Geldsystem und für das Rechtswesen. Und es geht um Subsidarität und Demokratie.


Eine besondere Betrachtung verdient hier unsere Vorstellung von „geistigem Eigentum„. Nichts ist von der Wirklichkeit weiter entfernt, als diese krude Vorstellung, die ausschließlich von der Wirtschaft für die Garantie von Mangelzuständen mißbraucht wird. Es gibt kein geistiges Eigentum! Die Gedanken sind frei! Dass ein Künstler für sein Schaffen angemessen bezahlt werden sollte, ist schon richtig, aber mit der Unterschrift unter dem Plattenvertrag verkauft er genau diese Rechte. Ein Maler kann ein Bild auch nur einmal verkaufen. Aber denkt einmal an all die kreativen Ingenieure, die für ihre Firmen ständig ihren Geist anstrengen, ohne dafür entsprechend entlohnt zu werden.

Diesel ZapfsäuleDurch die Praxis der Besitzansprüche von Patenten und Lizenzen blockieren wir Menschen uns von so viel gewaltigen Innovationen, daß wir uns das kaum vorstellen können. Nicht nur die unzerreißbare Damenstrumpfhose vermodert als Patent schon seit den fünfziger Jahren in einer Schublade. In unseren Tagen könnte die Anwendung des Patents für die Herstellung von Diesel aus Wasser und CO2 mit einem Schlag den Dieselskandal beenden. Wissen gehört geteilt und zur Verfügung gestellt und nicht durch zahlungskräftige Monopolisten vermarktet. Schaut welchen Schub das Internet gebracht hat. Auf einmal könnte das Wissen überall auf der Welt allen zur Verfügung stehen. Für wen kann das eigentlich katastrophal sein?

Auch das Problem mit der Handhabung des Geldes bedarf einer besonderen Betrachtung. Kaum jemand versteht das Geld und seine Auswirkungen. Die „Finanzwirtschaft„, deren Aufgabe es einmal war durch Bereitstellung von Geldern einen Warenfluß in Gang zu halten und den Transfer der Bezahlung der Güter zu ermöglichen, bedroht heute die Realwirtschaft und bringt sie regelrecht zum Erliegen.

Gold

Die Geldmengen, die im virtuellen Universum der Finanzwirtschaft kursieren haben inzwischen einen Umfang von mehreren Erdmassen aus purem Gold, die zum Teil nicht einmal in irgendwelchen Bilanzen auftauchen, sondern wie ungesehene Asteroiden aus dem Nichts plötzlich aufschlagen können. Schauen wir nur auf die 1 Billion TARGET2-Forderungen der Bundesrepublik, die jedermann deutlich aufzeigen, daß die Herren Finanzexperten nicht in der Lage sind, einfache Kontosalden auszugleichen. Hören wir auf uns erzählen zu lassen, wir seien zu dumm, dies verstehen zu können.

Mit einer Monetative, einem Zusammenschluß von wirklich unabhängigen Experten aus der Wirtschaft, dem Geistesleben und dem Rechtswesen, könnten die verschieden Funktionen, das Geld in unserer Wirtschaft hat sauber ausgesteuert werden. Dafür bedarf es aber zunächst noch sehr viel Aufklärung, was Geld überhaupt ist, wie es funktioniert und wie es zum Nutzen aller, und eben nicht nur für einige wenige Machthungrige gebraucht werden kann. Die heutige Form der Geldschöpfung durch private Banken muß schnellstens beendet werden, wenn wir jemals sozialen Frieden erleben wollen.

GerechtigkeitUnd was bleibt dann noch übrig für die dritte Komponente, das Rechtwesen und die staatliche Lenkung? Nun wenn der Staat von den sozialistischen Bürokratiemonstern ebenso befreit ist wie von den heimlichen Lobbyvereinen der Machteliten, könnte ein gepflegtes Rechtswesen gedeihen, in dem tatsächlich jeder dem anderen gleich gestellt ist. Mit sehr viel weniger Staat, und vor allem, ohne eine Diktatur von Parteien als Tarnorganisationen der Machteliten, könnten wir beginnen, so etwas wie eine echte Demokratie zu erschaffen.

Das Schlüsselwort dafür ist der Begriff der „Subsidiarität„. Das heißt, die Entscheidungsbefugnis liegt auf der Ebene, auf der die zu lösende Aufgabe liegt. Erst wenn die Kompetenzen und Mittel nicht ausreichen, wird auf einer höheren Ebene nach Lösung in gegenseitiger Kommunikation gesucht. Wenn z.B. ein Hochwasserschutz organisiert werden muß, tun sich alle betroffenen Landkreise und Städte zusammen, um die Organisation zu gewährleisten und die notwendigen Mittel bereit zu stellen.

VerhandlungJe weiter es in der Hierarchie nach oben geht, desto geringer darf die damit verbundene Macht sein, bis auf höchster Ebene nur noch so etwas wie eine Mediation stattfindet, auf der sich Souveräne als Souveräne untereinander unterstützen. So könnte eine neue UNO aussehen, ohne einen ständigen Sicherheitsrat, der seinen Mitgliedern dauerhaft ultimative Sonderrechte einräumt.

Wenn dadurch die Politik nach unten kommt, der einzelne Bürger tatsächlich echten Einfluß nehmen kann auf das, was ihn interessiert und umgibt, können wir anfangen von einer echten Demokratie zu sprechen. Dann wird es so etwas wie die heutige Politikverdrossenheit nicht mehr geben. Wir werden dann auch nicht mehr unsere Stimme in eine Urne werfen, um sie für die nächsten vier Jahre verloren zu haben, sondern als gleichberechtigtes Mitglied einer funktionierenden Gemeinschaft bei Entscheidungsprozessen, die mich etwas angehen mit abstimmen.

Soziale Dreigliederung
© Rudolf Steiner Gesellschaft e.V.

Die Deutsche Mitte hat in ihrem Programm festgelegt, sich an den Prinzipien der „Dreigliederung des sozialen Organismus“ zu orientieren. Bei den jetzt anstehenden Umwälzungen in der Gesellschaft, allein schon durch die Herausforderungen der modernen Techniken, den Umweltveränderungen und den gewaltigen Migrationsströmen auf der Welt, kommen wir mit den kurzsichtigen Wahlversprechungen nicht weiter. Was wir jetzt brauchen sind weitsichtige Lösungsansätze, die wir kollektiv meistern müssen. Die Welt wird sind neu ordnen, aber dafür braucht es keine „Neue Weltordnung“ die von alten Herren mit ungeheurem Gewaltpotential einer übrig gebliebenen, verschreckten Menschheit von oben aufgezwungen wird.

Wir sind es, die von unten, in gemeinsamen Anstrengungen miteinander die Welt in friedlicher Gesinnung neu gestalten werden. Dieses Miteinander schließt nicht nur die wurzellosen, vertriebenen Menschen mit ein, sondern auch alle anderen Mitbewohner dieses wunderschönen, blauen Planeten.