Sehr verehrter Geschäftsträger der Botschaft der Republik Belarus, Herr Schuplayk,
Sehr verehrter Sekretär Sergej Sipko,
Liebe Marina Martschuk,
Sehr geehrte Gäste,
Sehr geehrte Zuschauer im Live-Stream,
Wir freuen uns sehr darüber, dass Sie alle anwesend sind bei diesem bedeutungsvollen Ereignis in Köln.
Ich begrüße Sie alle herzlich. Besonders unsere Zuschauer über den Live-Stream in Weißrussland. Die Zuschauer in Weißrussland möchte ich betonen, da es mir nicht bekannt ist, dass es so etwas schon mal gegeben hat, dass eine Live-Übertragung in Deutsch, wir schauen, dass wir noch die Untertiteln in Russisch erstellen können, nach Weißrussland gegeben hat.
Ich darf mich bei Marina Martschuk bedanken. Sie ist die Ideengeberin für diese Ausstellung. Ohne sie würde es diese Ausstellung nicht geben. Sie hat den Impuls dafür gegeben, dass Künstlerinnen und Künstler aus Weißrussland sich mit der Geschichte der verbrannten Dörfer auseinandersetzten.
Ich darf mich bei der weißrussischen Botschaft – bei den heutigen und ehemaligen Mitarbeitern für die jahrelange, enge und fruchtbare Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken. Unermüdlich und unerschütterlich haben sie mich bei meinem Vorhaben, unsere Völker miteinander zu verbinden, unterstützt.
Warum laden wir zu dieser Veranstaltung ein?
Dazu möchte ich August Bebel zitieren: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“.
Dieses Zitat ist auch 111 Jahre nach seinem Tod noch hoch aktuell. Leider.
Die Kriegsherde auf unserer wunderschönen Mutter Erde klingen nicht ab. Es scheint uns nicht möglich zu sein, aus der Vergangenheit zu lernen. Das hat meiner Meinung nach mindestens einen Grund: Das Verstehen der Vergangenheit und ihre Bewältigung fehlen, die Aufarbeitung. Es fehlt das Verständnis, dass auf jede Aktion eine Reaktion folgt. Auch wenn diese sich erst Generationen später offenbart und scheinbar aus dem Nichts wieder sichtbar wird.
Heute sind die Reaktionen für uns spürbarer denn je.
Mit dieser Ausstellung möchten wir einen Impuls setzen, die Wunden, die in Kriegen entstehen, nachhaltig zu heilen. Heilung geschieht über Verständnis mittels Empathie von beiden Seiten. Die Aufarbeitung bzw. Versöhnung geschieht durch schonungsloses und wahrhaftiges Aufarbeiten der Geschichte. Mit offenem Herzen und offenem Visier. Das heißt, die Aufarbeitung braucht ein wohlwollendes Aufeinanderzugehen mit Liebe für Frieden im Herzen.
Die Aufarbeitung der Geschichte sollte auf Augenhöhe, mit offenem Herzen und Respekt füreinander geschehen. Wir sollten die Geschichte nicht verdrängen, sondern uns mit ihr konfrontieren. Jedoch will dies nicht heißen, dass wir uns heute noch ‚schuldig‘ fühlen oder „schuldig“ fühlen sollten. Vielmehr sollten wir dies als ewige Mahnung verstehen, die Geschichte nicht zu wiederholen. Die Lehre Deutschlands aus dem Zweiten Weltkrieg muss sein, eine Nation des Friedens zu sein, zu bleiben und sich dafür einzusetzen.
Wir möchten – mit dieser Veranstaltung beginnend – mit der Vernissage heute, einen gangbaren Weg über die Kunst anbieten. Wir möchten zum Nachdenken und Nachspüren einladen. Mit den Gemälden von zehn weißrussischen Künstlerinnen und Künstlern möchten wir den Fokus auf die verbrannten Dörfer in Weißrussland richten. Sie wurden von deutschen Faschisten im Vernichtungsfeldzug durch das heutige Weißrussland, samt ihrer Einwohner vernichtet. Die Künstlerinnen und Künstler wollen nicht anklagen, sondern leise und sensibel gegen das Vergessen „anmalen“. Sie haben die Orte von zwei Verbrechen besucht und ihre Eindrücke auf die Leinwand gebracht. Das ist einmal Dremlevo und Damatschevo, die beiden Orte. Sie werden in der Ausstellung auch Bilder von Vera Samsonovna sehen, auf Bildern. Sie ist eine der wenigen Überlebenden der Vernichtungen. Sie ist die einzige noch heute Lebende, die als Geburtsort Dremlevo in ihrer Geburtsurkunde stehen hat.
Da komme ich gleich noch zu, zu Dremlevo und Damatschevo.
Ich darf Ihnen erzählen, wie ich von diesen grausamen Verbrechen erfahren habe. Entschuldigung, obwohl ich nun schon einige Jahre in diesem Thema beschäftige, ist das trotzdem immer wieder aufwühlend.
Ich nehme Sie mit in den Sommer 2021.
Auf einer Reise nach Brest, habe ich von dem verbrannten Dorf Dremlevo erfahren und beschloss noch in der gleichen Sekunde, dorthin zu fahren und dies mit eigenen Augen zu sehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine deutsche Polizeieinheit zu solchen Grausamkeiten jemals fähig wäre. Ich wurde leider eines Besseren belehrt. Stellen Sie sich ein idyllisches Dorf im Jahre 1942 vor. Umgeben von Feldern und Wäldern, ungefähr 30 Häuser und vier Scheunen. Mit Kindern, ihren Eltern und älteren Menschen. Am Morgen des 11. September 1942, vor 82 Jahren, endete diese Idylle jäh. Das Dorf wurde von der 10. Kompanie des Oranienburger Polizeiregiments überfallen. Die Bewohner wurden aufgeteilt in Männer und Jugendliche und Frauen und Kinder. Sie wurden in die vier Scheunen getrieben. Dann wurden die Scheunen verbarrikadiert und angezündet. Wer versuchte, den Flammen zu entkommen, wurde erschossen. Dieses erbarmungslose Verbrechen hat mich zutiefst erschüttert.
Wenn Sie nachvollziehen möchten, was dort in etwa passiert ist, möchte ich Ihnen den Film des Regisseurs Elem Klimow: „Komm‘ und sieh‘“ aus dem Jahre 1985 ans Herz legen. Bereiten Sie sich ein großes Glas Vodka dazu vor. Sie werden es benötigen.
Ich könnte Ihnen noch noch vielen anderen Orten berichten, an den Ähnliches geschah. Denn die alte Zahl war 10961 Ortschaften, die während dieser dunklen Zeit betroffen waren.
Von diesen 10961, wie gesagt, es sind die alten Zahlen, man findest immer wieder neue Massengräber, Hinweise darauf, wo mal Dörfer waren, die im laufe der Jahre verwaldet sind durch die Natur. Sie liegt mittlerweile deutlich über 11000! Zu einem Ort möchte ich Ihnen dennoch hier kurz etwas sagen.
Damatschevo…
Freie Rede!
Ich wusste bis zu jenem Tag nichts von derartigen Verbrechen. Ich stellte fest, dass auch alle meine Freunde, denen ich davon berichtete, nichts davon wussten. So entstand der dringende Wunsch in mir, dieses Wissen zu teilen und zu verbreiten.
Warum? Ich könnte meine Zeit doch auch anders verbringen.
Denn ich habe in Weißrussland erlebt, dass der Geschichte und ihrer Opfer gedacht wird. Sie werden nicht vergessen. Inzwischen habe ich an unzähligen Gedenkfeierlichkeiten in Weißrussland teilhaben dürfen.
In den letzten drei Jahren war ich öfters dort und war immer wieder dankenswerter Weise zu solchen Gedenkfeierlichkeiten eingeladen.
Auf ausnahmslos allen Feierlichkeiten wurde ich als deutscher Bürger mit offenen Armen empfangen. Ihr müsst verstehen, dass unsere Gesichte zwischen unseren Nationen war/ist nicht ganz so einfach. Trotzdem bin ich mit offenen Armen empfangen worden.
Mir strömte eine ganz besondere Empfindung der Weißrussen entgegen: ich möchte es als Verbundenheit im Schmerz beschreiben. Wir haben gemeinsam unserer Opfer gedacht und getrauert. Ich wurde dabei in keinster Weise als ‚Täter‘ beschuldigt.
Ich habe die ‚russische Seele‘ erspüren können.
Sie wollen nie wieder Krieg erleben.
Das kann ich nur unterstreichen mit 2 Millionen Ausrufezeichen dahinter. Niemand, niemand, weder in Russland, den ich begegnet bin, noch in Weißrussland, den ich begegnet bin, will Krieg. Keiner. Auch in Deutschland nicht. Das sollte uns zu bedenken geben, wenn wir gerade aktuell sehen, was um uns herum passiert.
Auch wir hier in Deutschland haben viele Opfer gebracht. Aber aus Scham und Schuld gedenken wir ihrer nicht. Das würde ich gerne ändern.
Meine Vision ist es, dass Frieden möglich ist. Zuerst in unserem Inneren, dann mit unseren nächsten Nachbarn und schließlich auf der Welt. Daran glaube ich.
Ich möchte schließen mit einem Zitat unseres Bundespräsidenten Walter Steinmeier aus einer Rede, die er am 18. Juni 2021 anlässlich des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, hielt:
„Auch dort, wo die sichtbaren Spuren des Krieges heute verwischt oder vom Gestrüpp eines verhängnisvollen Jahrhunderts überwuchert sind, von den Jahren des Stalinismus, des Kalten Krieges, vom Ende der Sowjetunion, da kann man die Spuren dennoch wahrnehmen. Der Krieg bleibt spürbar – wie eine Narbe, über die man mit den Fingern streicht.
Doch tun wir Deutsche das? Schauen wir überhaupt dorthin, in den viel zu unbekannten Osten unseres Kontinents?“
Wir verstehen dies als Auftrag an friedensliebende Menschen, dem Vergessen in Deutschland entgegenzuwirken für eine friedliche Zukunft.
Lassen Sie uns gemeinsam, unsere Narben heilen, so dass sie nicht mehr aufplatzen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.