Jedes Jahr am 28. Juli veranstaltet die Stadt Brest in Belarus eine Gedenkfeier zur Befreiung der Stadt von den Nazi-Invasoren im Jahr 1944. Dieses Jahr (2024) ist der 80. Jahrestag dieses Ereignisses. Im letzten Jahr hatte ich die große Ehre, den Feierlichkeiten als Teil einer Delegation der Partei Deutsche Mitte beiwohnen zu dürfen.
Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, da dies meine erste Reise nach Weißrussland überhaupt war. Auch für die Gastgeber war dies ungewöhnlich, denn die Feier gedenkt dem Sieg über die „Deutschen“ im Zweiten Weltkrieg. Warum lädt man Besiegte in den Kreis der Sieger ein? Um ihnen die Untaten ihrer Vorfahren vorzuwerfen und sie verantwortlich zu machen? Es war jedoch genau das Gegenteil davon, was uns erwartete. Die Gastfreundschaft, die wir erfuhren, war unbeschreiblich großzügig und herzlich. Dabei hatte ich meinen ersten ausführlichen Kontakt zur russischen Küche und Esskultur. Besonders war für mich auch, dass von Zeit zu Zeit jemand von den Anwesenden zu Tisch aufstand und einen kleinen Trinkspruch aufsagte. Bei den vielen guten Dingen und Wünschen, auf die getrunken wurde, fanden bemerkenswert oft die Frauen Erwähnung.
Da an diesem Gedenktag die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg Thema waren, drehten sich viele Gespräche um Ereignisse aus dieser Zeit. Dabei wurde mir klar, wie wenig ich eigentlich über diesen Teil unserer gemeinsamen Geschichte wusste und dass ich hier noch viel zu lernen habe. Die Kenntnis von Details der damaligen Vorfälle ist Voraussetzung für das Verstehen und das Entwickeln einer Empathie für die Verletzungen der Seelen der Menschen. Und das betrifft nicht nur die Zeitzeugen. Man muss sich der Vergangenheit erinnern, damit sich der Wahnsinn des Krieges nicht wiederholt. Belarus hat viele verschiedene Gedenkfeiern und Gedenkstätten, da es während dieser Zeit viel Schreckliches durchgemacht hat. Die Beschäftigung mit diesen geschichtlichen Ereignissen kann ich nur jedem ans Herz legen, der Verständnis als Grundlage für Frieden und Freundschaft begreift. Insbesondere aber auch denjenigen, die dafür sorgen, dass deutsche Waffen in der aktuellen Zeit wieder auf russischem Boden einschlagen.
„Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.“
George Santayana
Alles in allem habe ich den Gedenktag als sehr ruhig und getragen erlebt. Es wurden Blumen und Kränze niedergelegt. Verschiedene kulturelle Veranstaltungen mit Musik und Vorträgen wurden an öffentlichen Plätzen und Parks kostenfrei angeboten.
Am folgenden Tag wurden die Feierlichkeiten fortgeführt. Der „Tag der Stadt Brest“ strahlte beeindruckend viel Energie und Lebensfreude und einem gesunden Maß an Nationalstolz aus. Es gab einen Wettstreit von Militärkapellen mit hohem Unterhaltungswert und ein spektakuläres Konzert mit Feuerwerk am Abend.
All dies hat die Reise nach Brest für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Gerne werde ich weitere Gelegenheiten wahrnehmen, um ein Zeichen für den Wunsch nach Frieden zu setzen und noch mehr von diesem schönen Land und seinen Leuten kennenzulernen.