„Östliche Partnerschaft“ für einen Ostdeutschen: Gesichter europäischer Diplomatie



09.06.2021

Als Projekt der EU-Nachbarschaftspolitik wurde einst das Programm der „Östlichen Partnerschaft“ konzipiert, das für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen zu den ehemaligen Sowjetrepubliken aufzubauen ermöglichte. Deren Übergangsregime benötigten technische, finanzielle und intellektuelle Unterstützung für den Übergang vom postkommunistischen Autoritarismus zu Demokratie.

Theoretisch sollte die „Östliche Partnerschaft“ dazu beitragen, einen Stabilitätsgürtel zwischen der EU und Russland zu schaffen, in dem junge Staaten in Kooperation mit Brüssel ihre Institutionen stärken und sich durch den Abschluss von Abkommen über die Assoziation und die Freihandelszone allmählich einem vereinten Europa nähern.

Dafür wurden und werden Milliarden Euro bereitgestellt und die „Champion“- Staaten wie Georgien, Ukraine, Moldawien und Armenien ermittelt, die auf dem Weg der Partnerschaft mit der EU am weitesten fortgeschritten sind.

In den letzten Jahren traten in den Berichten der EAD-Diplomaten (Europäischer Auswärtiger Dienst) in Brüssel selbst das problembehaftete Weißrussland und Aserbaidschan nicht mehr als Außenseiter auf, mit den Regierungen dieser Länder wurden verschiedene Projekte in den Bereichen grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Visaerleichterung, Menschenrechte etc. aktiv diskutiert.

Die „Östliche Partnerschaft“ jedoch ist ein bedauerliches Fiasko der Europäischen Union.

Bild: Pixabay


Betrachtet man den tatsächlichen Stand der Dinge, so ergibt sich ein völlig anderes Bild bei den Steuerzahlern als bei den Brüsseler Beamten in ihren Büros.

Anstatt einen Stabilitätsgürtel zu bilden, verwandelte sich die „Östliche Partnerschaft“ tatsächlich in eine weitere Zone der Instabilität in der Nähe der Grenzen der Europäischen Union: Heute erleben fast alle Länder, unabhängig vom Grad ihrer Nähe zu Brüssel, akute Schwierigkeiten nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bereich Politik und Sicherheit.

Einige Mitglieder des Programms, insbesondere aus Armenien und Aserbaidschan, befinden sich im Krieg miteinander. Andere, wie die Ukraine, führen einen Krieg mit den Rebellen auf ihrem Territorium. Wiederum andere, wie Georgien und Moldawien, stehen vor dem Problem separatistischer Regionen, und in Weißrussland ist eine politische Krise ausgebrochen.

All dies wird durch politische Instabilität, geringe Legitimität der Behörden in den Augen der Gesellschaft und Korruptionsprobleme verstärkt, wobei die Ukraine und Moldau, die übrigens ein Assoziierungsabkommen mit der EU haben, tatsächlich zu Synonymen für dieses widerliche Phänomen geworden sind.

Was Weißrussland betrifft, so sind die Probleme mit diesem Land, die in den letzten fünf Jahren kurz vor einer Lösung schienen, nicht irgendwie verschwunden, sondern noch schlimmer geworden. Nach den Präsidentschaftswahlen, gegen deren Ergebnis massive Oppositionsdemonstrationen stattfanden, stürzte der Staat in eine politische Krise, und gegen das offizielle Minsk wurden bereits EU-Sanktionen verhängt.

Gleichzeitig wurde der unabsetzbare Staatschef des Landes, Alexander Lukaschenko, der vor einem Jahr in Wien auf hohem Niveau empfangen wurde, erneut zur Persona non grata für die EU-Kommissare, die erst kürzlich mit ihm Handschlag und Lächeln ausgetauscht haben. Das Schlimmste an dieser Situation ist, dass die Politik der EU gegenüber Weißrussland dem Rad von Samsara ähnelt, wenn schon seit mehr als 20 Jahren Sanktionen durch Flitterwochen des Dialogs mit dem Regime ersetzt werden und die Berechenbarkeit dieser Politik entwertet die Bedeutung von Sanktionen und Dialog.

Das heißt, wir sprechen davon, dass die „Östliche Partnerschaft“ für die EU faktisch völlig gescheitert ist, während die Umsetzung des Programms nicht nur zu völlig gegensätzlichen von beabsichtigten Ergebnissen für die teilnehmenden Länder geführt, sondern auch die Kluft in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland vertieft hat.

Natürlich gibt es objektive Gründe für dieses Versagen, die Brüssel im Prinzip aus diplomatischer Sicht nicht beeinflussen konnte. Ein wesentlicher Teil der Verantwortung liegt jedoch bei den EAD-Mitarbeitern, den Leitern von EU- Missionen in sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft und anderen verantwortlichen Beamten.

Es waren Fehleinschätzungen, schwache Kompetenzen und korrumpierte Verbindungen zu lokalen oligarchischen Regimen, die zum Scheitern des teuren Programms und der gesamten Europapolitik in Osteuropa und im Kaukasus führten.

Dirk Schübel, Foto: BelTA

Für wen spielt Dirk Schübel?

Eine der zentralen Figuren in der Partie, die zu verschiedenen Zeiten von Baroness Ashton, Stefan Füle, Federica Mogherini und Josep Borrell gespielt wurde, war der Diplomat Dirk Schübel, ein gebürtiger Ostdeutscher, der im EAD als einer der wichtigsten Kenner der ehemaligen Sowjetrepubliken gilt.

Man muss sagen, dass Herr Schübel auf diesem Schachbrett allmählich die Rolle einer Königin zu spielen begann, die die europäische Politik in vielen Staaten der Östlichen Partnerschaft persönlich leitete und koordinierte und die Möglichkeit hatte, Einfluss auf die Verteilung der erheblichen Finanzmittel der Europäischen Union zu nehmen.

Erstaunlich, wie Herr Schübel auf der Karriereleiter sukzessive nach oben kletterte, obwohl er sich gelegentlich mitten in Skandale befand, und die postsowjetischen Regime, mit denen der unternehmungslustige Deutsche kollaborierte, als „demokratisch“ nur von einem Blinden oder einem Brüsseler Bürokrat, der sein Gewissen verlor, bezeichnet werden konnten.

Im Jahr 1997 trat Schübel in die Europäische Kommission ein und wurde 2006 zum stellvertretenden Leiter der diplomatischen Vertretung der EU in der Ukraine ernannt. Der Deutsche arbeitete nur zwei Jahre in Kiew, aber während dieser Zeit gelang es ihm, ernsthafte Verbindungen unter den ukrainischen Oligarchen zu knüpfen, als er den Verband europäischer Unternehmen in diesem Land gründete. Tatsächlich war es Schübel, der vielen ukrainischen Reichen mit kriminellem Geld die Einreise nach Europa ermöglichte.

Später wurde unser Held in der Ukraine als der wichtigste Brüsseler Spezialist für die Rechte der Krimtataren bemerkt. Schübels Berichte zu diesem Thema sorgten für erhebliche Aufregung in der Fachwelt, die in ihnen den Versuch sah, die Krim mit Aussiedlern aus Zentralasien zu überschwemmen, was neben einer hohen Geburtenrate in dieser Volksgruppe die Grundlage für die weitere Entwicklung der separatistischen Bewegungen und die Bildung eines nationalen krimtatarischen Staates werden würde.

Dass unter den angesessenen Tataren die religiöse und politische Organisation “Hizb-ut-Tahrir-al-Islami” am beliebtesten war, die auch in der Heimat Schübels als terroristisch anerkannt wurde, schien den Beamten nicht sonderlich zu stören.

Die echte goldene Zeit unseres Helden begann jedoch im Jahr 2009, als der Diplomat Leiter der EU-Vertretung in Moldawien wurde. Jetzt konnte er allein entscheiden, und das kleine Moldawien schien damals als das geeignetste Objekt für die Bestrebungen der Europäischen Union zu sein, zumal es zwischen Moldawiern und Rumänen praktisch keinen Unterschied in Sprache und ethnischer Zugehörigkeit gibt.

Zur gleichen Zeit dennoch kam es in Moldawien unter den schönen Parolen der europäischen Integration tatsächlich zu einer Machtaneignung durch den Mafia- Oligarchen Plahotniuc, der jetzt von Interpol aufgesucht wird. Dass Plahotniuc mit Kriminalität in Verbindung stand, war allgemein bekannt, aber Schübel schleppte das Mafia-Regime trotz der Proteste der angesessenen Bevölkerung hartsinnig nach Brüssel.

Ein moldauischer Abgeordnete und ehemaliger Chef des Geheimdienstes SIB Artur Reshetnikov erinnerte später daran, dass “Europäischer Kommissar Füle dem EU-Delegierten Dirk Schübel dafür danken kann, dass in den 4 Jahren seiner Amtszeit die Attraktivität der Idee der EU-Integration in der moldauischen Gesellschaft von 70 auf 40 Prozent zurückgegangen ist”. Reschetnikow erklärte dies damit, dass “die Europäische Union sich durch Schübel an der Machtaneignung und der Degradierung der wichtigsten demokratischen Institutionen beteiligt hat”.

Quellen in Chisinau behaupten jedoch, dass Schübels Geneigtheit gegenüber dem Moldawier Al-Capone Plahotniuc den Oligarchen ziemlich teuer zu stehen kam. Darüber hinaus nahm der europäische Diplomat nicht nur Geld und teure Geschenke, sondern auch die Dienstleistungen einer Escortagentur des “Meisters von Moldawien” an.

Hier könnten wir jedoch von gegenseitiger Abhängigkeit sprechen, da Plahotniuc eine Besonderheit hatte, die intimen Abenteuer seiner Geschäftspartner auf Video festzuhalten, und vielleicht wird die Gesellschaft die Amourösabenteuer von Dirk Schübel noch schauen.

Fairerweise muss jedoch gesagt werden, dass der Deutsche noch immer nicht als schlechter Familienmensch bezeichnet werden kann, da Dirk Schübel immer viel mehr an seiner Familie, insbesondere am Wohl seiner ukrainischen Ehefrau, als an den Interessen der EU lag.

Laut der moldawischen Internet-Medien “www.allnews.md” “werden die finanziellen Mittel, die Moldawien von der EU erhält, aktiv von einem Unternehmen aus der Ukraine genutzt, dessen führende Position einem Verwandten von Dirk Schübels Ehefrau einnimmt”. Die Rede ist hier von der ukrainischen Firma “FGL Energy LLC”, die mit Unterstützung des Leiters der EU-Vertretung in Chisinau plötzlich einer der Betreiber von EU-Zuschüssen in Moldawien wurde.

Der Höhepunkt der moldauischen Geschichte von Schübel war der Diebstahl einer Milliarde Euro aus dem Staatshaushalt dieses Land durch lokale Verwaltung und Oligarchen, die sich in den Berichten der EU-Vertretung für Brüssel Jahr für Jahr als “Reformer”, “Anhänger der Ideen eines freien Marktes, der Demokratie und der europäischen Werte” präsentierten.

„Füle, Schübel und viele andere, die mit unseren “Reformern” gemeinsame Fotos gemacht haben, sind für die Katastrophe verantwortlich, die sich in unserem Land ereignet hat”, schrieb der derzeitige Ministerpräsident der Republik Moldau Yon Chicu auf seiner Facebook-Seite, der damals eine Position im Staatsapparat innehatte.

Trotz einer Reihe von Skandalen in der Ukraine und Moldawien, dem völligen Fehlen eines wirklichen Erfolgs bei der Förderung der EU-Interessen, kehrte Schübel 2013 zur Beförderung nach Brüssel zurück, wo er Leiter der Abteilung für die Länder der Östlichen Partnerschaft des EAD wurde. Was die Europäische Union in den Beziehungen zu den ÖP-Ländern erreicht hat, wurde oben schon beschrieben, dennoch erhielt der unsinkbare Dirk nach 6 Jahren eine weitere Ernennung zum Leiter der EU-Vertretung in Weißrussland.

 

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Die europäische Diplomaten bezeichnen heute Lukaschenko als “blutigen Diktator”, aber vor sechs Monaten war es Mode, einen Dialog zu führen und sich dem offiziellen Minsk anzunähern. Außerdem, bei verschiedenen Empfängen, an denen Lukaschenkos Leute teilnahmen, prostete Schübel mit belarussischem Wodka auf seine neuen Freunde “für das Genfer Osteuropas” und zweifelte nicht am Sieg des belarussischen Präsidenten bei den bevorstehenden Wahlen.

Bei offiziellen EU-Veranstaltungen verhielt sich Schübel natürlich anders, erinnerte an Menschenrechte, die Verfolgung der Opposition, aber der Verhandlungsprozess ging weiter und Borrell sollte im Herbst 2020 sogar Minsk besuchen. Doch die politische Krise, die nach den Wahlen in Belarus ausgebrochen ist, hat alle Figuren auf dem Schachbrett vermischt, und nun muss die Königin der europäischen Diplomatie zwischen Anweisungen aus Brüssel und Verpflichtungen gegenüber ihren Freunden aus weißrussischen Behörden herumtigern.

Tatsächlich interessiert Schübel weder das eine noch das andere: Der Deutsche verrät leicht die Interessen des Dienstes und vergisst ebenso leicht seine Versprechen, wenn der Moment kommt. Das einzige, was dieser Person Sorgen bereitet, ist ihr persönlicher Komfort und ihr materieller Wohlstand – diese Königin spielt allein und nur für sich.

Solange die EAD also aus “Spezialisten” wie Schübel besteht, wird die europäische Politik in verschiedene Richtungen sinnlos und zahnlos sein, und das Geld ehrlicher Steuerzahler, einschließlich der Franzosen, wird sich in den Taschen ausländischer korrupter Beamter und ihrer Gönner aus Brüssel ansiedeln.

Autor: Belnovosti

https://www.belnovosti.by/politika/vostochnoe-partnerstvo-dlya-vostochnogo-nemca-lica-evropeyskoy-diplomatii